Was uns nicht hilft oder gar beleidigt! – Teil 3: Nicht ernst nehmen / Beleidigen

Einige haben sicher gestern schon damit gerechnet, dass dieser Teil kommt, aber ich hatte wirklich … wirklich keine Lust, was zu schreiben. Ich war wirklich lustlos und … leicht depri. Dazu schreib ich aber ein andermal. Denn darum solls hier heute nicht gehen.
Klar hatten wir im ersten Teil schon das Bagatellisieren, aber ich möchte hier nochmal etwas genauer eingehen. Also nicht wundern, dass sich der Titel teilweise doppelt. Aber gut. Legen wir einfach mal los.

„Wirst sehen. Wenn du mal ein älter bist hast keine Zeit mehr so zu denken“

 

Ich frage mich, seit wann Depressionen von Zeit abhängen. Ich habe das als Jugendlicher, wenn es mir nicht so gut ging, auch öfter einmal gehört. Und worauf ist das bezogen? Auf den Stress, den man als Erwachsener hat?
Meiner Erfahrung nach, sorgt der Stress, der uns ja keine Zeit mehr lassen soll, so zu denken, dass es nur noch schlimmer wird. Und irgendwo ist auch ein Stück Wahrheit im Kern dieser Aussage. Auch wenn ich sie dennoch verantwortungslos finde, gerade gegenüber den eigenen Kindern.

Wir haben als erwachsene eigentlich keine Zeit, depressiv zu sein. Wir haben Verantwortlichkeiten, denen wir nachgehen müssen. Arbeiten, Sozialleben und all die anderen Kleinigkeiten, die sich summieren.
Aber ist die Aussage auch ein Grund, warum wir nicht „depressiv sein dürfen“? Vergessen wir bei dem Gedanken mal nicht, dass wir oft keinen Einfluss darauf haben, wann wir depressiv sind. Vor allem nicht die Menschen, die unter einer Dysthymie leiden, und oft permanent depressiv sind.

Ich habe in den letzten Monaten etwas Wichtiges gelernt: Wir müssen und sollten uns mit unseren Depressionen, oder psychischen Erkrankungen auseinandersetzen. Es zu unterdrücken führt bei einigen Menschen nur dazu, dass sie irgendwann unter dieser Last zusammenbrechen. Genauso sollten sich angehörige ebenfalls damit auseinandersetzen.
Denn entgegen dieser Aussage, müssen wir uns die Zeit nehmen. Für uns, unsere Freunde und unseren (Wahl)Familien.

„Die Spinnereien bildest du dir nur ein.“

Das finde ich absolut unverschämt. Klar. Wir bilden uns ein, dass es uns schlecht geht. Das in unserem Kopf das Monster ist, was uns vermittelt, dass wir schlechte Menschen sind, nichts können oder nichts Wert sind.
Wir bilden uns ein, dass wir keine Energie mehr haben. Klar. Alles Spinnereien, die wir uns herbeifantasieren. Wir haben auch nix Besseres zu tun und wollen uns unbedingt selbst das Leben schwer machen. Gehts noch?

Psychische Erkrankungen und Depressionen sind wissenschaftlich belegt und keine Spinnereien. Ich denke, dass nahezu alle bekannten Arten von psychischen Krankheiten und Depressionsbildern sogar ICD-10 klassifiziert sind. Sie können also faktisch auch nachgewiesen werden durch Tests, Untersuchungen und so weiter.
Wie wäre es mit Ernstnehmen? Oder, wie ich im letzten Abschnitt schon sagte, Informieren? Wir haben schon genug mit uns zu kämpfen. Leute, die so etwas raushauen, brauchen wir wirklich nicht.

„Bei euch Frauen ist das ja normal.“

Leider wurde hier mir nicht der direkte Kontext genannt, aber ich möchte einfach mal herumvermuten. Es gibt menstruierende Menschen (Ich sage bewusst nicht Frauen) und die Menstruation hat viele Nebenwirkungen. Sowohl Physische als auch Psychische. Und ich denke, auf Letzteres will man hinaus.
Und nein. Depressionen oder psychische Erkrankungen sind nicht normal. Sie haben keine Ursache in einer körperlichen Notwendigkeit, wie eine Menstruation. Oder eine Schwangerschaft. Die Ursachen sind so viel komplexer (oft) oder reichen über Generationen hinaus.

Mal davon abgesehen, dass diese Aussage sehr herabwürdigend ist, werde ich dazu weiter nichts mehr sagen.

„Dein Autismus kommt von Impfung xy.“

Ein Gerücht was sich schon so viel länger hält, als die meisten meiner Leser alt sind. Das is totaler Schwurblerunfug. Sehr beliebt bei Impfgegnern, die Ihre Kinder nicht gegen so wichtige Krankheiten impfen wollen wie Kinderlähmung oder andere Krankheiten.
Soweit ich weiß, ich bin halt kein Experte, ist das wissenschaftlich geprüft und schon zig mal widerlegt worden. Und dennoch bekommen AutistInnen das dauernd zu hören. Und es ist traurig, dass immer noch so viele Menschen diesen Bullshit glauben.

Nein. Autismus rührt nicht von Impfungen her. Wenn dem so währe, würden meines Erachtens, viel mehr Autisten auf der Welt leben. Weil die Mehrheit der Menschen, glücklicherweise, Impfungen für sich und ihren Nachwuchs nutzen.
Ich möchte jedem Empfehlen, der so einen Menschen, der solche Sätze sagt, in seinem Bekanntenkreis hat, den Kontakt so weit wie möglich …. am besten auf -1 einzuschränken. Nicht impfen tötet und gefährdet alle.

„Autisten können doch gar keine Depressionen haben. Ihr habt doch keine Gefühle.“

Bleiben wir beim Autismus. Und hier kann ich mich nicht entscheiden, ob ich weinen oder wütend sein soll. Egal ob es „leichter“ oder hochfunktionaler Autismus ist: Es handelt sich bei der betreffenden Person immer noch um ein fühlendes Wesen.
Oft haben autistische Menschen nicht das ganze Gefühlsspektrum. Dafür aber ein sehr ausgeprägtes. Wut zum Beispiel. Das haben mir Autisten öfters erzählt, dass sie ein extremes Wutpotential haben.
Und auch sie können unter (teils schweren) Depressionen leiden. Hier werden alle AutistInnen in eine Schublade gesteckt. Es gibt sicher Menschen, die keine Gefühle empfinden. Aber ich stelle die Behauptung in den Raum, dass es nur ein kleiner Bruchteil ist.

Schuld daran sind aber auch die Medien. Sie haben sich sehr lange fast ausschließlich mit hochfunktionalen AutistInnen beschäftigt. Darunter auch welche, die wirklich keine Emotionen zeigten. Ob sie welche empfunden haben, mag ich an dieser Stelle nicht sagen.
Aber wenn man einen fremden Menschen nach Autisten fragt, werden meist auch diese Menschen benannt. Beziehungsweise beschrieben. Dabei ist Autismus so vielfältig. Es gibt leichte Formen und auch (sehr) schwere Formen.

Man sollte sich, wenn man keine Ahnung hat, solche Sätze echt schenken. Gerade weil AutistInnen manchmal intensiver fühlen, können diese Aussagen sehr viel Schaden verursachen und diese Personen in noch tiefere Depressionen stürzen. Und das sollte man keinem Wünschen.

„ich hab auch mal schlechte Tage. Bist du dir sicher, dass das ne Krankheit ist?“

Ja. Es ist eine Krankheit. Sollen wir am besten noch unsere Befunde von PsychologInnen mit uns führen? Damit ihr uns glaubt? Klar: Schlechte Tage hat jeder mal. Natürlich. Sogar mein Mann, der Sonnenschein in Person, hat schlechte Tage. Und natürlich heißt das nicht, dass jemand depressiv ist.
Aber wie oft hat man wirklich schlechte Tage? Wie schlecht ist schlecht eigentlich? Das kann nur jeder für sich selbst bewerten. Allerdings haben gerade depressive Menschen schwere Schübe die auch sehr lange dauern können. Es geht hier nicht um einen Tag. Es sind Tage. Manchmal Wochen.

Im Wiederholten Falle gehen wir zu einem/r PsychologIn und lassen unsere „schlechten Tage“ untersuchen und Analysieren. Wir nehmen diesen Aufwand auf uns. Aber nicht um euch unseren Befund zu zeigen. Wir tun dass, für uns und damit es uns irgendwann, durch Therapien oder Medikamente, besser geht.
Aber unsere Depressionen sind Krankheiten. Viele sind nicht heil- aber therapierbar. Und deine schlechten Tage gehen gelinde gesagt, mir zumindest, am Arsch vorbei. Schön für dich, dass du einen schlechten Tag hast. Pass auf, dass daraus nicht mal Wochen werden. Denn das wünsche ich niemanden.

„Wieso lachst du, ich denke, du bist depressiv?“

Wenn es nicht so weh tun würde, würde ich meinen Kopf gegen die Wand donnern. Nicht nur einmal. Hundert mal kommt eher hin. Ich lache auch. Sehr viel sogar. Weil mein Mann lacht oder was Witziges gesagt hat. Weil ich was Witziges im Internet sehe und und und.
Depressiv sein bedeutet nicht, dass wir nichts mehr lustig oder schön finden. Depressionen haben heißt, dass wir öfter gedrückte Stimmungen haben oder traurig sind. Nicht, dass wir unfähig sind zu lächeln oder zu lachen. Ich glaube, mein Mann wäre nicht mehr so sehr Sonnenschein, wenn ich gar nicht mehr lachen oder lächeln würden.

Aber was soll diese Aussage? Selbst ein Laie weiß, dass Depression nicht bedeutet, dass wir gar nicht mehr lachen. Ich habe in meinem Leben so viele Menschen kennengelernt und ich konnte jedem ein Lächeln oder sogar Lachen abringen.
Also was soll das? Warum? Oh vielleicht ist es ein Verbot. „Du bist depressiv also lach nicht.“ Oder man zweifelt es so an? „Du lachst, also kannst du nicht depressiv sein“.

Lasst doch diese Scheiße einfach sein. Hört auf damit. Jede Depression oder psychische Krankheit, sowie auch jeder Mensch sind so unfassbar individuell. Hört, auf uns sowas an den Kopf zu schmeißen.
Informiert euch lieber. Oder, und das sollte man jedem Empfehlen, lasst euch mal untersuchen. Viele Menschen Leben mit Depressionen und finden es nie, oder sehr spät heraus.

So. Das soll es für diesmal gewesen sein. Beim nächsten Mal beschäftigen wir uns mit dem Rest wie aufdringliche Hilfsangebote und übertriebene Positivität. Das Finale wird also etwas kürzer.

Habt eine schöne Zeit.

Gerry

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